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Sell in May and go away – eine gute Idee?

Anlage-Fokus

Datum: 10.06.2025 Neu
Autor: Daniel Lüchinger

​​​​​​​Die Angst vor Verlusten, der Wunsch nach Sicherheit oder der Glaube an bestimmte Muster beeinflussen unsere Entscheidungen stärker, als wir denken – auch beim Investieren. Doch gerade deshalb lohnt es sich, Börsenmythen kritisch zu hinterfragen.​

​​​Der Spruch «Sell in May and go away» klingt einprägsam und schon fast wie ein guter Ratschlag. Im Kern geht es um die Annahme, dass die Sommermonate an den Börsen schwächer verlaufen und es deshalb klüger sei, in dieser Zeit nicht investiert zu sein. Als Gegenstück zu «Sell in May and go away» gilt «Remember to come back in September», weil die Renditeaussichten im Winter wieder rosiger seien.

In der Praxis zeigen die Daten, dass der saisonale Effekt nicht konsistent ist. Es gab zwar Jahre mit schwacher Sommerperformance, in vielen Jahren schneiden die Märkte aber auch im Sommer positiv ab. Ein eindrückliches Beispiel war 2024. Ergo wer dem Mythos folgte, verpasste diese Rendite. Die Märkte reagieren auf aktuelle Entwicklungen und nicht auf den Kalender. Entscheidend sind Unternehmensgewinne, Geldpolitik, und Konjunkturaussichten. Oder wie wir aktuell gerade beobachten, geopolitische Entwicklungen rund um den US-Handelsstreit. 

Die «Sell in May»-Strategie basiert auf der Annahme, dass sich durch gezieltes «Markt Timing» – also dem gezielten Ein- und Aussteigen aus den Aktienmärkten, eine höhere Rendite erzielen lässt. Die Praxis zeichnet aber ein anderes Bild: Anlegerinnen und Anleger, die versuchen, Zeitpunkte vorherzusagen, verpassen häufig die besten Tage an der Börse. Doch genau diese besten Tage sind für einen Grossteil der Portfoliorendite entscheidend. 

Der Reiz von Sprüchen wie «Sell in May» liegt in ihrer Einfachheit. Doch einfache Regeln ersetzen keine fundierte Strategie und ignorieren Bewertungsniveaus, Zinserwartungen oder geopolitische Entwicklungen. Gerade Privatinvestoren handeln oft nicht systematisch, sondern lassen sich von bekannten Sprüchen, Medienberichten oder der Marktstimmung leiten. «Sell in May» ist ein Beispiel dafür, wie emotionale Denkmuster und mediale Wiederholungen zu Fehlentscheidungen führen können – selbst bei grundsätzlich gut informierten Anlegern. 

Anstatt sich auf Börsenmythen zu verlassen, empfiehlt sich eine klar strukturierte Anlagestrategie. Diese sollte langfristig ausgerichtet, breit diversifiziert und an den eigenen Zielen sowie der persönlichen Risikofähigkeit orientiert sein. Wer investiert bleibt, statt den Markt zu timen, hat historisch gesehen bessere Karten – unabhängig vom Monat. 

Fazit: 

Börsenw​​eisheiten sind kein Ersatz für eine durchdachte Anlagestrategie. Sie beruhen oft auf psychologischen Verzerrungen. Anlegerinnen und Anleger sollten sich dieser Mythen bewusst sein – und ihnen nicht folgen. Denn langfristiger Anlageerfolg entsteht nicht durch einfache Regeln, sondern durch Disziplin, Geduld und eine fundierte Vorgehensweise.

Gemeinsam wachsen.