Powell begann seine Rede mit der Bemerkung, dass die US-Notenbank «bereit ist, die Zinsen weiter anzuheben, wenn dies angemessen ist». Dies stimmt mit der jüngsten Botschaft der Datenabhängigkeit überein. Ansonsten gab es in der Rede kaum Anzeichen dafür, dass er versuchte, die Zinserwartungen der Märkte in die eine oder andere Richtung zu lenken. Eine Überraschung blieb somit aus. Die Obligationenmärkte reagierten in der Summe kaum auf die Rede und auch die US-Aktienmärkte liessen sich von den Informationen nur wenig bewegen. Andererseits wird die Sensitivität der Aktienmärkte gegenüber den publizierten Wirtschaftsdaten wohl anhalten. Schlechte Nachrichten dürften bisweilen als «Good News» wahrgenommen werden, da sie von den Marktteilnehmenden als möglicher Grund für eine Zinspause interpretiert werden.
Nach der Zinspause im Juni hat die US-Notenbank den Leitzins im Juli auf 5.25 bis 5.50 Prozent erhöht. Dies entspricht dem höchsten Stand seit 22 Jahren. Powell betonte in seiner Rede die robusten wirtschaftlichen Bedingungen. Mit Blick auf die nächste Notenbanksitzung im September ist somit weder eine Zinspause noch ein weiterer Zinsschritt gesetzt. Beide Optionen sind denkbar.
Das Wachstum der US-Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal unerwartet beschleunigt. Zum Wachstum beigetragen haben vor allem der private Konsum und die Unternehmensinvestitionen. Das Wirtschaftsumfeld präsentiert sich somit überraschend robust. Sollte die Widerstandsfähigkeit des Wirtschaftswachstums anhalten, wird dies zwangsläufig zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik führen. Gleichzeitig befindet sich die Inflation in den USA unverändert über dem Zielwert. Die Dynamik ist aber rückläufig. Die Gesamtinflation liegt bei 3.2 Prozent. Zudem verlangsamt sich der monatliche Zuwachs der Kerninflation. Wir sind der Meinung, dass der Rückgang der Kerninflation die US-Notenbank davon überzeugen wird, die Zinsen im nächsten Jahr zu senken.
Mittlerweile sind 18 Monate vergangen, seit die US-Notenbank den Zinserhöhungszyklus eingeleitet hat. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind bis jetzt bescheiden. Auch die Konjunkturdaten fürs dritte Quartal deuten nicht auf eine Wachstumsabkühlung hin. Die US-Wirtschaft ist unserer Meinung nach aber nicht immun gegen steigende Zinsen. Erste Bremsspuren lassen sich zum Beispiel am Immobilienmarkt erkennen. Die restriktive Geldpolitik entfaltet zudem erst nach zwei Jahren ihre grösste Wirkung. Der wirtschaftliche Gegenwind in den USA dürfte somit im nächsten Jahr zunehmen.