Graubündner Kantonalbank

Ist nach der Rallye vor der Rallye?

Datum: 22.11.2022 
Autor: Daniel Lüchinger

​Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten geriet vergangene Woche ins Stocken und unter Anlegerinnen und Anlegern machte sich – nach einer Phase der Zuversicht – wieder Verunsicherung breit. So büssten der US-Leitindex S&P 500 sowie unser Heimmarkt, gemessen am Swiss Market Index, in den letzten Tagen an Terrain ein. Die europäischen Märkte und einige Schwellenländerindizes hielten sich vergleichsweise besser und verbuchten gar leichte Kursgewinne. An den Obligationenmärkten hielt die Rally dagegen an – die Renditen gerieten weiter ins Rutschen. Für die jüngste Entwicklung an den Finanzmärkten verantwortlich waren insbesondere die Aussagen von Mitgliedern der US-Notenbank Fed. Wie lassen sich die jüngsten Ereignisse einordnen und was bedeuten sie für eine mögliche Jahresendrallye?

«Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten ist kurzfristig bereits sehr weit gelaufen.»


Wie immer um diese Zeit des Jahres schweift der Blick zurück auf die vergangenen Monate, aber auch bereits nach vorne, hin zum Jahresende und darüber hinaus. Wir sehen momentan verschiedene Themen, welche die Finanzmärke bewegen. Auf der einen Seite sind da Konjunkturdaten, allen voran die Veröffentlichung von Inflationszahlen. Für den Oktober fielen diese in den USA niedriger aus als erwartet. Die Interpretation dieser Zahl ist natürlich nicht eindeutig: Während einige Experten der Meinung sind, dass die niedrigere Inflationsrate eine Temporeduktion im Zinserhöhungsrhythmus der Fed bedeutet, weisen andere darauf hin, dass eine einzige günstige Inflationszahl noch nicht ausreiche, um den restriktiven Kurs der Notenbank zu stoppen. Dies zeigt, dass die Frage nach dem Erreichen der Spitze bei Inflation und Zinsen offen bleibt. 


Ebenfalls für Unsicherheit sorgt weiterhin die (geo-)politische Ebene – aktuell insbesondere mit Blick auf die Folgen und die Wirksamkeit der chinesischen Null-Covid-Strategie. In den letzten Tagen wurden nach den ersten tödlichen Coronafällen seit gut einem halben Jahr wieder verschärfte Auflagen verhängt. Die Hoffnungen auf eine baldige Lockerung oder Aufgabe der strengen Pandemie-Beschränkungen erhielten einen Dämpfer, die meisten asiatischen Aktienmärkte starteten mit Abschlägen in die neue Woche. 

Die Aussichten für eine Jahresendrallye sind also dieses Jahr gedämpft. Hinzu kommt, dass der Aufwärtstrend sowohl an den Aktien- als auch an den Obligationenmärkten kurzfristig bereits sehr weit fortgeschritten ist. Die Gewinnaussichten der Unternehmen werden eher als zu optimistisch eingeschätzt, auch wenn die Gewinnerwartungen in den letzten Wochen nach unten angepasst wurden. Mit Spannung werden deshalb auch die Informationen zum anlaufenden wichtigen Weihnachtsgeschäft in den USA, welches einen Einblick in die Konsumentenstimmung gibt, erwartet. 

Die Erholung an den Aktienmärkten steht somit etwas im Widerspruch zum Wirtschaftsausblick und der bevorstehenden Rezession. Der Drahtseilakt zwischen Inflation und Rezession wird unserer Meinung nach anhalten und auch die Aktienmärkte weiter beschäftigen. Wir erachten daher eine defensive Positionierung bei den Aktienrisiken für angemessen.



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