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Historisch einmaliger Zinsschritt

Datum: 12.09.2022 
Autor: Daniel Lüchinger

​In der letzten Woche hat die Europäische Zentralbank EZB den Leitzins um 0.75 Prozentpunkte erhöht und gestaltet ihre Geldpolitik wie erwartet restriktiver aus. In Bezug auf die Grössenordnung ist dieser Zinsschritt ein Novum. 


«Der SNB-Leitzins dürfte bis im Frühjahr 2023 auf 1 Prozent steigen.»


Die EZB hat die Zinsen in der Vergangenheit nur dreimal um mehr als 25 Basispunkte angehoben – im November 1999, im Juni 2000 und im Juli dieses Jahres – und zwar um jeweils 50 Basispunkte. Sie setzt damit ein klares Zeichen im Kampf gegen die zunehmende Inflation.

Die aktuelle Inflationsentwicklung lässt der EZB keine andere Wahl, als die Zinsen stark zu erhöhen. Während die Risiken für die Wirtschaft jüngst klar angestiegen sind, hat auch der Inflationsdruck zugenommen. Die Inflationsbekämpfung hat nun auch für die EZB oberste Priorität. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Leitsätze weiterhin aggressiv anheben wird, selbst wenn die Wirtschaft in eine Rezession fällt. Daher rechnen wir im Oktober und im Dezember mit weiteren Zinserhöhungen von mindestens je 0.5 Prozentpunkten. Wir erwarten, dass die Leitzinsen über das neutrale Niveau angehoben werden, was die Wirtschaftsdynamik stark belasten wird. Mit der von uns erwarteten Rezession wird die Europäische Notenbank ab 2023 dann aber auf weitere Zinserhöhungen verzichten.

Vor diesem Hintergrund besteht ein erhebliches Risiko für die Anleihen der Peripherieländer, wie beispielsweise Italien. Die EZB wird unserer Meinung nach allerdings nicht zögern, das neue Transmissionsschutz-Instrument einzusetzen und betroffene Staaten zu unterstützen. Dieses Instrument besteht im Wesentlichen aus Käufen von Staatsanleihen, welche nur an leichte Bedingungen geknüpft und vom Umfang her unbegrenzt sind. Einen Bilanzabbau wie beispielsweise bei der US-Notenbank erachten wir zum jetzigen Zeitpunkt als wenig wahrscheinlich.

Die Zinserhöhung der EZB verschafft der Schweizerischen Nationalbank (SNB) weiteren Spielraum, ihrerseits auf die steigende Schweizer Inflationsrate zu reagieren. Mit 3.5 Prozent Inflation ist der Handlungsbedarf der SNB jedoch bei weitem nicht so akut wie in der Eurozone. Deshalb wird die SNB unserer Ansicht nach in den nächsten Monaten ihre Geldpolitik «der ruhigen Hand» fortführen. Wir erwarten, dass sie am 22. September den Leitzins erneut um 50 Basispunkte anheben wird. Der SNB-Leitzins dürfte bis im Frühjahr 2023 auf 1 Prozent steigen. Danach erwarten wir, ähnlich wie in der Eurozone, auch in der Schweiz eine Zinspause.

Insgesamt haben sich die Abwärtsrisiken für die europäische Wirtschaft deutlich erhöht. Dies sorgt für Verunsicherung an den Märkten. Aufgrund des trüben Konjunkturausblickes für die Eurozone und in Anbetracht der hohen Inflationsdifferenzen zwischen der Schweiz und Europa, dürfte der Euro gegenüber dem Franken in den nächsten Monaten weiter schwach notieren. Für die Aktienmärkte in der Eurozone sind wir daher skeptisch gestimmt. Mit der strafferen Geldpolitik, der drohenden Rezession, dem Ukraine-Krieg sowie der sich zuspitzenden Energiekrise lasten einige negative Faktoren auf den Märkten. Wir empfehlen deshalb eine defensive Ausrichtung bei europäischen Aktien und bevorzugen Titel aus den USA oder der Schweiz.



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