Trotz stetig steigender Zinsen, die US-Wirtschaft brummt

Datum: 31.07.2023 
Autor: Daniel Lüchinger

​​​​Die Anlage-Experten der Graubündner Kantonalbank informieren im GKB Anlage-Fokus wöchentlich über das aktuelle Finanzgeschehen. Gemeinsam mit Jens Korte werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf die Wallstreet.


 

 

Jens Korte, wir stehen mitten in der Berichtssaison zum ersten Halbjahr, wie sieht die Zwischenbilanz aus? 

Die Zahlen zeigen eines deutlich: Gut ist oft nicht gut genug. Die Kurse sind im Vorfeld der Halbjahresberichte derart stark nach oben geklettert, dass die Firmen extrem gute Zahlen liefern müssten, damit die Kurse weiter steigen. Zwei Beispiele, die genau dies zeigen, sind Netflix und Microsoft; beide Firmen haben ordentliche Zahlen geliefert und trotzdem hat die Börse im Tagesverlauf mit einem deutlichen Abschlag reagiert. Aber auch die positiven Beispiele gibt es: Sowohl Tesla, wie auch Alphabet (Google) oder Meta (Facebook) konnten mit ihrem Resultat die Investorinnen und Investoren überzeugen.


Neben den Geschäftszahlen ist die Künstliche Intelligenz (KI) ein Thema, vor allem bei US-Technologieunternehmen. Wie äussern sie sich zum Potenzial der KI? 

Die Künstliche Intelligenz ist bei den US-Technologie Unternehmen das Thema der Stunde. Am besten hat es Microsoft-CEO Satya Nadella zusammengefasst: Er sieht grosses Potenzial in KI, aber sagt auch, dass es Zeit brauchen wird, bis man mit den Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz Geld verdienen kann. Im Moment müssen die Firmen also vor allem in die Entwicklung von KI investieren, was höhere Kosten verursacht. Auf diese Kosten wird sich wohl auch die Börse fokussieren. Entsprechend kann es noch eine Weile dauern, bis sich das Potenzial von KI dann auch in höheren Kursen niederschlägt. 


Die US-Notenbank hat letzte Woche wie erwartet die Zinsen um 25 Basispunkte erhöht. Werden weitere Zinsschritte folgen? 

Das wissen wir nicht mit Sicherheit, aber eine weitere Zinserhöhung scheint wahrscheinlich, eine zweite zumindest möglich. Denn die amerikanische Wirtschaft zeigt sich sehr robust; wir sehen aktuell ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 2.4 Prozent, was deutlich über den prognostizierten zwei Prozent liegt. Zudem wurden in den USA innerhalb der ersten Jahreshälfte 1.7 Millionen Jobs neu geschaffen, man kann also kaum von einer rezessiven Phase reden. Diese stabile wirtschaftliche Lage hat Notenbank-Chef Jerome Powell zur Aussage bewogen, dass es gelingen könnte, den Zyklus der Zinserhöhungen mit einer gewissen Abschwächung der Wirtschaft, jedoch ohne Rezession abzuschliessen. 


Auch die Börse scheint an dieses Szenario zu glauben, die Wall Street nimmt die stetig steigenden Zinsen mit Gelassenheit hin – oder trügt dieser Eindruck? 

Nein, dieser Eindruck trügt nicht. Ich würde sagen, es ist fast schon spektakulär, was wir zuletzt an der Wall Street gesehen haben,zumindest beim Dow Jones. Der Nasdaq Composite musste kleinere Dämpfer hinnehmen, der Dow Jones jedoch hat aktuell die längste Gewinnsträhne seit 1987 hingelegt. Damals war noch Ronald Reagon Präsident und Alan Greenspan löste Paul Volcker als Notenbankchef ab. Das zeigt sehr deutlich, dass sich die Investoren das oben beschriebene Szenario eines Soft-Landing – also ein Abschluss der Zinserhöhungen ohne Rezession – geradezu herbeisehnen. Ich denke, dass dieses fast schon perfekte Szenario auf etwas viel Optimismus fusst. Ob dem so ist, das werden die nächsten Monate zeigen.





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