Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Zinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr gesenkt – der Leitzins liegt nun bei null Prozent. Die Inflation in der Schweiz ist zuletzt ins Negative gerutscht: Damit ist das Ziel der Preisstabilität, wie es die SNB definiert, aktuell unterschritten. Entscheidend für diesen Rückgang waren internationale Disinflationstendenzen, die sich insbesondere in sinkende Energiepreisen durch günstiges Erdöl manifestieren. Zusätzlich sorgt die gestiegene Unsicherheit an den Finanzmärkten – vor allem ausgelöst durch die zunehmend protektionistische US-Handelspolitik – zu einer Aufwertung des Schweizer Frankens. Das macht importierte Güter günstiger und dämpft die Inflation weiter.
Die aktuelle Zinssenkung ist daher als Reaktion auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld zu verstehen. Auch wenn mittelfristig weitere Zinssenkungen nicht ausgeschlossen sind, meinte SNB Präsident Schlegel, dass die Hürde, wieder in den Negativzinsbereich zu gehen, höher liege und dieser Schritt sehr genau abgewogen werden müsse. Dafür müssten wohl einschneidende Ereignisse eintreten – etwa eine plötzliche Rezession oder eine weitere, starke Aufwertung des Frankens. Solche Entwicklungen würden den geldpolitischen Spielraum der SNB einschränken und härtere Massnahmen rechtfertigen. Negativzinsen bringen nämlich einige unschöne Nebenwirkungen mit sich: verzerrte Anreize im Immobiliensektor, Belastungen für Pensionskassen und eine Schwächung der Altersvorsorge.
Auch die grossen Zentralbanken bewegen sich derzeit auf einem vorsichtigen Pfad. Die US-Notenbank Fed hat ihre Leitzinsen nicht verändert, signalisiert aber, dass sie Zinssenkungen in diesem Jahr nicht ausschliesst. Gleichzeitig hat sie das Tempo möglicher Lockerungen spürbar reduziert. Damit bleibt die Fed unabhängig – auch gegenüber politischen Forderungen nach raschen Zinssenkungen, wie sie zuletzt wiederholt von US-Präsident Trump geäussert wurden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Anfang Juni ihren Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt. Damit hat sich der Einlagesatz innerhalb eines Jahres halbiert und liegt nun im neutralen Bereich. Auch wenn die EZB bezüglich weiterer Schritte vorsichtig bleibt, deutet vieles auf eine weitere Zinssenkung im Sommer hin. Hintergrund ist die schwache Konjunktur in Europa, die aus Sicht der EZB aktuell das grössere Risiko darstellt als die Inflation.
Fazit:
Tiefzinsen bleiben eine Herausforderung für Anlegerinnen und Anleger. Klassische Sparformen verlieren an Attraktivität, Renditen sind schwerer zu erzielen. Solange aber Anlagen weiterhin positiv verzinst sind und Anlegende nicht gezwungen werden, zu schlechteren Konditionen neu zu investieren, ist dies kein Problem. Umso wichtiger ist es, das Kapital gezielt zu investieren: in Qualitätsaktien, dividendenstarke Titel, Sachwerte wie Immobilien oder ausgewählte Unternehmensanleihen. Kurzfristige Zinssignale sollten nicht zur Strategieänderung verleiten. Wer breit diversifiziert und langfristig denkt, schützt sich auch in einem Tiefzinsumfeld vor realem Kaufkraftverlust – und nutzt gezielt die Chancen, die sich trotz tiefer Zinsen bieten.