Die Inflationszahlen bleiben aufgrund der nach wie vor bestehenden Angebotsknappheit sowie der höheren Energiepreise hoch. Wie die Grafik unten am Beispiel Europas zeigt, ist ein deutlicher Inflationsrückgang nicht vor Ende 2022 zu erwarten. In der Eurozone erreichte die Inflation zuletzt Werte von 8.1%, und auch in der Schweiz war sie mit 2.9% zuletzt so hoch wie seit langem nicht mehr. Auslaufende Basiseffekte, eine Abschwächung der Angebotsknappheit sowie ein Nachfragerückgang werden dazu führen, dass die Inflationszahlen sinken. Während der Pandemie wurden hohe Lagerbestände aufgebaut; diese müssen nun abgebaut werden. Weitere Faktoren wie die vermehrte Verfügbarkeit von Computerchips und sinkende Frachtkosten deuten auf den Beginn einer Entspannung hin.
Zudem haben die Zentralbanken den Kampf gegen die Inflation zur Priorität Nummer eins erklärt. Ihre Massnahmen werden denn auch zu einer Abschwächung der Nachfrage und entsprechend der Wirtschaftsaktivität führen. Die zentrale Frage dabei bleibt, ob es den Zentralbanken gelingen wird, die Inflation zu bekämpfen, ohne eine Rezession auszulösen. Das Risiko, dass eine «sanfte Landung» misslingt und eine zu restriktive Geldpolitik eine starke Verlangsamung der Wachstumsdynamik oder gar eine Rezession verursacht, ist hoch. Damit verschieben sich die Sorgen der Anlegerinnen und Anleger von Inflationsängsten hin zu Wachstumssorgen.
GKB Einschätzung
Die Belastungsfaktoren für Konjunktur und Finanzmärkte halten an, das Umfeld bleibt damit herausfordernd. Das Rezessionsrisiko steigt, eine globale Rezession ist aber nicht unser Hauptszenario. Eine weltweite Wachstumsverlangsamung ist jedoch unausweichlich.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat an ihrer Sitzung im Juni die Weichen für eine erste Zinserhöhung im Juli gestellt – dies trotz erhöhter Konjunkturrisiken. Die Wirtschaftsaussichten bleiben in der Summe eingetrübt.
Es sind jedoch auch konjunkturelle Hoffnungszeichen auszumachen: Abnehmende Corona-Fälle sowie die Aufhebung der «Null-Covid-Politik» in China unterstützen die wirtschaftlichen Aktivitäten positiv. Ebenfalls weisen solide Frühindikatoren wie beispielsweise die vom Institute of Supply Management (ISM) gemessenen Neuaufträge in den USA oder auch die verbesserte Stimmung bei den deutschen Unternehmen (ifo-Geschäftsklima-Index) auf eine intakte Wirtschaftsentwicklung hin. Positiv zu werten ist zudem, dass die Inflationserwartungen zuletzt deutlich gesunken sind. In China überwiegen Wachstumsängste die Inflationssorgen, weshalb die Zentralbank die Zinsen gesenkt hat, um der schwachen Wirtschaftsentwicklung entgegenzuwirken.
Auch wenn die Inflationsbekämpfung für die US-Notenbank oberste Priorität hat, hat ihr Chef, Jerome Powell, durchblicken lassen, dass das Wirtschaftswachstum im Auge behalten wird. Damit ist eine Pause bei den Zinserhöhungen im Herbst nicht komplett auszuschliessen, unter anderem um zu beobachten, wie sich die höheren Zinsen auf die Realwirtschaft auswirken.
Wir erwarten, dass die US-Notenbank die
Leitzinsen entschlossen in einen Bereich führen wird, der die Nachfrage deutlich abschwächt. Deshalb gehen wir von einem Leitzins nahe bei 3% bis Ende Jahr aus. Zudem hat die Fed damit begonnen, die Bilanz zu verringern, was den Zugang zu billigem Geld zusätzlich erschwert. Die EZB wird im zweiten Halbjahr ebenfalls mit der Normalisierung der Geldpolitik starten: Das Anleihenaufkauf-Programm wird beendet und mehrere Zinserhöhungen werden folgen. Es ist damit zu rechnen, dass die EZB den Einlagensatz bis zum Ende des Jahres von aktuell –0.50% auf mindestens 0.25% erhöhen wird. Die Schweizer Nationalbank dürfte dann ebenfalls die Leitzinsen erhöhen.

Die sich eintrübenden Wirtschaftsaussichten haben die Kreditprämien ansteigen lassen, insbesondere in Europa. Zwar sind die Bilanzen der Unternehmen stark und die Kreditausfälle weiterhin sehr tief. Die Verfassung der Unternehmen ist somit derzeit gut, der Blick in die Zukunft beziehungsweise darauf, was vom Markt eingepreist wird, deutet jedoch auf Gegenwind hin. Wir erwarten daher eine weitere Ausweitung der Kreditprämien. Ein Überschiessen der Kreditprämien ist auch bei Schwellenländeranleihen möglich, was kurzfristig zu weiteren Verlusten führen kann. Allerdings ist die Rendite auf Verfall attraktiv.
Die jüngsten Entwicklungen am Zinsmarkt haben den Ausschlag für eine Anpassung der aktuellen Positionierung gegeben: Die höher als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten und die Andeutungen der EZB-Chefin Christine Lagarde, wonach eine forschere Gangart in der Zinsnormalisierung nicht ausgeschlossen werden könne, haben die Zinsen deutlich ansteigen lassen. Damit wird das Zinsniveau – auch abgesichert in Schweizer Franken oder Euro – wieder attraktiv. In diesem Umfeld erhöhen wir die Obligationenquote auf eine leichte Untergewichtung.
Die Risikofaktoren an den
Aktienmärkten haben sich nicht verändert. Zwar sind die Bewertungen günstiger geworden, doch hat sich die Risikoprämie weiter reduziert. Bis anhin wurden die erwarteten Gewinne für die nächsten zwölf Monate kaum nach unten korrigiert. Dies hat die Bewertungen seit Jahresanfang klar verringert – die Niveaus von 2018 sind in Reichweite. Der Druck auf die Bewertungen dürfte aufgrund der restriktiven Geldpolitik des Fed weiter anhalten. Anleger sind weniger bereit, hohe Preise für Aktien zu bezahlen.
In der Summe sehen wir derzeit wenig Anzeichen für eine Verbesserung an den Aktienmärkten. Kurzfristige Erholungsrallys sind immer wieder möglich, mittelfristig belastet jedoch der Wirtschaftsabschwung die Aktienmärkte. Die Gewinnmargen werden zunehmend unter Druck geraten, was die Stimmung negativ beeinflussen wird. Die Abwärtsrisiken überwiegen in der Summe die Chancen für eine nachhaltige Erholung.
Wir setzen deshalb die Aktienquote weiterhin mit einem Untergewicht um und favorisieren Unternehmen mit einem robusten Geschäftsmodell, Preissetzungsmacht und einer angemessenen Bewertung.
Die Entwicklung des Schweizer Immobilienmarkts widerspiegelt sich aktuell nicht in den Kursentwicklungen der
Immobilienfonds. Verantwortlich für den schwächsten Jahresstart seit vielen Jahren sind auch hier die steigenden Zinsen: Schweizer Immobilienfonds erfuhren in den letzten Jahren aufgrund ihrer stabilen und – gerade im Vergleich zu Anleihen – hohen Ausschüttungsrenditen starke Zuflüsse. Dieser Renditeunterschied hat sich nun aufgrund der gestiegenen Zinsen abgeschwächt. Zudem notierten die Preisaufschläge (sog. Agios) auf rekordhohen Niveaus. Wir erwarten auch in der zweiten Jahreshälfte volatile Märkte und halten daher an der Neutralpositionierung fest.
Die stark gestiegenen US-Realzinsen sowie der erstarkte US-Dollar haben die Haltekosten (Opportunitätskosten) wie auch die Kaufkosten von
Gold deutlich erhöht. Zudem verzeichneten die Gold-ETFs zuletzt wieder Abflüsse. Trotz allem bleibt Gold ein wichtiger Bestandteil im Portfolio und ist unserer Meinung nach als Absicherung gegen Unvorhergesehenes (beispielsweise eine weitere Verschlechterung der geopolitischen wie auch der konjunkturellen Lage) unabdingbar. Wir setzen Gold weiterhin mit einer Neutralgewichtung um.
Aktuelle Positionierung
Die Obligationenquote wird auf ein leichtes Untergewicht erhöht. Im April haben wir die bisherige Neutralgewichtung bei den Aktienrisiken zugunsten von Liquidität auf eine Untergewichtung reduziert. Bei Immobilien und Gold sind wir neutral positioniert.